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Dienstag, 27. Februar 2018

Turn: Washington's Spies (AMC, 2014 - 2017) Review

Allmählich wird es Zeit, dass ich von meiner absoluten Lieblingsserie "Turn" berichte, die mich seit vier Jahren begleitet und durch die ich erstens eine Menge Freunde und Gleichgesinnte kennengelernt habe, und die mich zweitens auf vielerlei Ebenen inspiriert hat. Püppchen der Charaktere wurden und werden von mir noch fleißig gehäkelt, und sogar die Schauspieler freut's, wenn sie ihren kleinen Doppelgänger in den sozialen Medien sehen. Überhaupt, der Cast ist eine Wolke - privat und  beruflich. Alle glänzen in ihren Rollen, und selbst den Bösen kann man nicht wirklich böse sein. Allerdings bekam der Schurke John Graves Simcoe alias Samuel Roukin tatsächlich Morddrohungen über Twitter. Dafür hat er - ganz nach Simcoe-Art - nur ein verächtlich-fieses Kichern und Retweets übriggehabt.

Fast alle Figuren in "Turn" sind historisch verbürgt, ebenso wie der lange in Vergessenheit geratene Spionagering, um den der Autor und Produzent Alexander Rose und sein Team Craig Silverstein und Barry Josephson eine außergewöhnliche Serie gestrickt haben.

Der Grund, warum ich mich bis dato gescheut habe, Turn zu rezensieren, ist der, dass die Spionage um George Washington im Unabhängigkeitskrieg der USA recht kompliziert ist und ich sie eigentlich mehrmals durchsuchten musste, um zu verstehen, um was es im Einzelnen geht (keine Angst, es gibt keine Spoiler, und ich versuche, mich kurz zu fassen).


♬America the Beautiful ♫


1776: Erzählt wird die Geschichte des anfangs neutralen und unfreiwillig in die Politik hineingezogenen Farmers Abraham Woodhull (toll und ein wenig unterschätzt: Jamie Bell), der gemeinsam mit seinen Kindheitsfreunden Ben Tallmadge, Caleb Brewster und der Tavernenbesitzerin Anna Strong den Kern des Culper-Rings bildet. Samuel Culper ist sein Deckname, der bis zuletzt von der Gegenseite - den Rotröcken - unentdeckt bleibt. Und dass, obwohl er dem Chef des britischen Geheimdienstes Major John André (JJ "Bombe" Feild) sogar seine Aufwartung macht und auf einem seiner berüchtigten Feste das Tanzbein schwingt eine frivole Ballade und danach eine traurige Anekdote zum Besten gibt.

Die Nachlässigkeit des feschen Majors wird im Finale von Staffel 3 schwer geahndet, was keine große Überraschung ist, versteht er sich doch mehr als künstlerisches Allroundgenie und verliebt sich obendrein noch in Peggy Shippen, die schönste Frau von Philadelphia, die er in geheimer Mission zu seinem Rivalen Benedict Arnold schickt. Leider läuft die Aktion aus dem Ruder und macht aus dem cleveren Strategen André einen romantischen Narr. Für mich als JJ Feild / André-Fan eine enttäuschende Charakterentwicklung, aber dramaturgisch wohl unumgänglich und durchaus sinnvoll.

Auf den ersten Blick gar keinen Sinn für Romantik hat dagegen John Graves Simcoe, von Samuel Roukin mit Spaß und Verve weitaus böser dargestellt, als es der echte Simcoe je war. Auf jede Szene mit ihm habe ich mich gefreut, denn einen unheimlicheren, hinterhältigeren Schurken habe ich im TV noch nie gesehen. Trotzdem gelingt es ihm, nachvollziehbar zu bleiben. Wie Abe ist auch er in Anna Strong (Heather Lind) verliebt, doch als er feststellt, dass seine Zuneigung unerwidert bleibt, verfolgt er mit aller Härte eigene Ziele oder die seiner Auftraggeber und Vorgesetzten. Bis auf die von "Oyster Major" Edmund Hewlett (Burn Gorman), in Simcoes Augen ein schöngeistiger Schwächling.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht neben den Spionen auf beiden Seiten vor allem auch die Familie Woodhull und ihre Probleme. Hier wird es nicht mehr patriotisch, sondern auch sehr amerikanisch. Judge Richard Woodhull (Kevin R. McNally, bekannt als Steuermann aus "Piraten der Karibik") hält seinen Zweitgeborenen Abraham für unfähig und zieht ständig Vergleiche zum ersten, während eines Aufruhrs früh verstorbenen Sohn Thomas heran. Obwohl seit Kindertagen in Anna verliebt, musste Abraham dessen Verlobte Mary heiraten, um wenigstens in einer Sache beim Vater punkten zu können. Ihre Ehe ist zweckmäßig und mit dem süßen Thomas "Sprout" (die entzückenden Zwillinge Cabell und Ellis Chase) erst einmal zufriedenstellend für den Vater. Doch das ändert sich, als er erfährt, in welche Widrigkeiten sein Sohn involviert ist und auf wessen Seite er mittlerweile steht. Auch Mary entgleitet dem Patriarchen, denn nach anfänglicher Skepsis unterstützt sie ihren Gatten tatkräftig auf seiner delikaten Mission... und wird zur skrupellosen Kampfmaschine.

Apropos. Das dürfte neben dem blind vor Liebe unvorsichtigen Abgang von Major André mein einziger Kritikpunkt sein: die Gewalt und Brutalität wird oft in krassen Nahaufnahmen minutenlang zelebriert. Vieles, was man sehen muss, bietet Stoff für Alpträume, veranschaulicht aber auch die Sinnlosigkeit eines Krieges. Positiv dabei fiel mir auf, dass die Engländer durchaus nicht die "Bösen" per se sind. Beide Seiten haben ihre guten und schwachen Momente und bieten keine Schwarz/Weiß-Malerei - selbst der harmlos erscheinende Abe wird irgendwann von Mordlust getrieben, und das nicht nur, weil er ums Überleben des Rings kämpft.

Im für mich sehr tränenreichen, weil so klugen und tief zu Herzen gehenden Finale der vierten Staffel schreibt er einen Brief an seinen Sohn, in dem er die weiteren, oft verblüffenden Lebensläufe der Weggefährten aufzählt und seine eigene Rolle im Krieg erklärt, auf die er im Rückblick nicht besonders stolz ist. Und *schnüff* er bittet Thomas, ihm zu zeigen, wie schön es auf der anderen Seite ist, wenn sie sich endlich wiedersehen... ein besseres Ende hätte man sich für Turn nicht wünschen können. Wer sich nun fragt, wieso, dem kann ich nur raten: ansehen!

Vorsicht: Das Video enthält Spoiler.




Fazit: Eine wirklich spannende und emotionale Zeitreise in die amerikanische Geschichte, in der neben dem Spionagering auch persönliche Schicksale, Intrigen und eine wunderbare Kulisse und fesche Uniformen und Kostüme nicht zu kurz kommen. Für Geschichtsfans und Liebhaber von anspruchsvoller Unterhaltung eine absolute Empfehlung!


Bewertung:



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