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Freitag, 31. März 2017

Review "Rain Man" (1988)

Dieser Film ist einer meiner Lieblingsfilme seit Jahren. Wie oft ich ihn gesehen habe, weiß ich nicht, aber fast sämtliche Dialoge kann ich auswendig. Wahrscheinlich hat er meine Liebe für "buddy movies" genauso geprägt wie das Motiv der Roadmovies, und trotzdem ist er so viel mehr. Gestern habe ich ihn mir nach langer Zeit wieder angeschaut, und er hat nichts von seinem Charme und Zauber verloren, auch wenn er mittlerweile schon fast dreißig (!) Jahre alt ist. Das 1980er Jahre-Flair, bestehend aus Yuppie-Style, rosa Jogginghosen und Föhnfrisuren hat das Ganze irgendwie authentischer wirken lassen und trug viel dazu bei, dass ich mir wie auf einer kleinen Zeitreise vorkam.


Die geniale Geschichte ist simpel und schnell erzählt. Charlie Babbitt (Tom Cruise in seiner besten Rolle) ist ein skrupelloser Luxuskarossen-Händler in Los Angeles, geht lieblos mit seiner Freundin Susanna (Valeria Golino) um, schikaniert alle, die sich ein Bein für ihn ausreißen und merkt es nicht einmal. Auf dem Weg nach Palm Springs zum Wochenendurlaub erhält er die Nachricht, dass sein Vater verstorben ist, mit dem er sich seit langem überworfen und keinen Kontakt mehr hat. Unverzüglich fliegt er an die Ostküste in der Hoffnung auf ein fettes Erbe. Doch alles, was er erhält, ist ein 1949 Buick, der ihn perfiderweise an die unglückselige Trennung von Daddy erinnert, und die preisgekrönten Rosenbüsche. Die drei Millionen Dollar Vermögen sollen an eine Stiftung gehen, von der ein unbekannter Nutznießer profitiert. Charlie findet heraus, dass sich hinter diesem Nutznießer sein autistischer Bruder Raymond (Oscar-prämiert: Dustin Hoffman) verbirgt, der seit seinem zwanzigsten Lebensjahr in der Anstalt Wallbrook in Cincinnati für geistig Behinderte lebt, und von dem Charlie nichts wusste. Raymond als Druckmittel gegen den Anstaltsleiter Dr. Bruner benutzend, plant er, mit dem Bruder nach L.A. zu fliegen. Kurzerhand kidnappt er ihn, weil ihm schließlich immerhin "die Hälfte zusteht".

Doch Raymond weigert sich, in ein Flugzeug zu steigen und hegt auch sonst Misstrauen gegen schnelle Verkehrswege: die Reise wird im Buick auf der Landstraße von Ost nach West durchgezogen. Susanna, die mit Charlies Plan nicht einverstanden ist und ohnehin die Nase voll hat von ihrem egoistischen Freund, macht Schluss, und so bleibt Charlie nichts anderes übrig, als drei Tage mit dem absonderlichen Raymond alleine unterwegs zu sein. Drei abenteuerliche Tage, in denen er allmählich lernt, seinen Bruder zu verstehen, seine ungewöhnlichen Fähigkeiten zu nutzen und ihn sogar zu lieben, als er erfährt, dass Raymond sein imaginärer Freund "Rain Man" war, der ihn als Baby beruhigt hat, wenn er sich vor etwas fürchtete. Und selbst wenn Raymond nicht auf "normale Art" zeigen kann, was er empfindet, entwickelt er ebenfalls eine Zuneigung zu seinem neuen "Oberboss".

Meinung: Es gab eine Phase, da fand ich einige Szenen und das Ende kitschig. Heute sehe ich das nicht mehr so. Im Gegenteil: anders als viele weitere Filme, die sich mit Behinderungen befassen, hat "Rain Man" wenig Sentimentales an sich, was vor allem an der großartigen Leistung von Tom Cruise liegt. Charlie Babbitts etwas robuste und erfrischende Art, Raymond so zu behandeln wie jeden in seinem Umfeld, und seine kaum merkliche "change of heart" ist etwas, das mir sehr gut gefällt. Auch seine Findigkeit im Ungang mit Raymond und die erstaunliche Geduld, die er von Anfang an aufbringt - nicht ohne sich gelegentlich über die festgefahrenen Rituale aufzuregen ("Dieser Autismus ist ein Haufen Scheiße! Und du kannst mir nicht erzählen, dass du da nicht irgendwie übertreibst!") - machen ihn für mich zum Star des Films. Ihm unterlaufen Fehler, die die Ärzte in Wallbrook nie gemacht hätten, weil sie Raymond - einen Behinderten - mit Samthandschuhen anfassen und ihn nicht fordern wie Charlie Babbitt. Aber er erkennt den Menschen in Raymond; und mehr noch, seine Familie, die er nie hatte. Dass er am Ende ohne die anderthalb Millionen und vor allem ohne Raymonds Vormundschaftsrecht dasteht, ist bitter, doch Charlie Babbitt hat dennoch gewonnen: einen Bruder und seelische Reife.

Sehr interessant sind übrigens auch die Extras auf der DVD. Besonders beeindruckt hat mich die Schilderung des Co-Drehbuchautors von Eltern mit autistischen Kindern, die nach dem Anschauen des Films auf ihn zugingen und erzählten, dass die Geschwister, die sich bisher für den autistischen Bruder/die Schwester geschämt hatten, nun stolz darauf seien, ihn / sie zu beschützen, wie der coole Charlie Babbitt/Tom Cruise seinen Bruder Raymond/Dustin Hoffman. Ich glaube, dass man das große Spektrum des Asperger/Autismus-Syndroms heute etwas anders bzw. differenzierter betrachtet, die Wissenschaft weiter und die Porträtierung von Raymond ein Mix aus vielen ist. Trotzdem liebe ich diesen Film immer noch. Er ist anrührend, leise, tiefsinnig, dramatisch, humorvoll und an keiner Stelle langweilig. Außerdem sieht man viel von den USA, staunt oft, wie dörflich und gemütlich es in vielen Orten zugeht und ist fast traurig, wenn man im Abspann zum wehmütigen Soundtrack von Hans Zimmer noch einmal die Schnappschüsse sieht, die Rain Man mit seiner Kamera auf der denkwürdigen Reise geknipst hat.







Fazit: Ein heimlicher Klassiker für die ganze Familie. Wer ihn nicht kennt, sollte das unbedingt nachholen.

Bewertung:



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