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Mittwoch, 1. Februar 2017

Literarische Identifikationsfigur - ja oder nein?

Neulich fand ich auf Facebook einen Beitrag, der mich nachdenklich gemacht hat. Die Autorenkollegin Moa Graven schrieb, dass sie keine besonders gute Rezension für einen Krimi erhalten hat, weil ihre Romane "unvorhersehbare Wendungen" hätten, mit denen der Rezensent nichts anfangen konnte bzw. sich davon überrumpelt fühlte, da die Handlung nicht in sein Denkschema passte. Ich fand das sehr schade und konnte Moa (die erfolgreich Ostfrieslandkrimis veröffentlicht) gut nachempfinden in ihrer Traurigkeit, eine schlechte Kritik für Originalität erhalten zu haben. Und mir stellte sich die Frage: Braucht ein Roman Vorhersehbarkeit und vor allem: muss sich der Leser / die Leserin mit den Protagonisten identifizieren können, damit Handlung und Figuren nachvollziehbar werden?

Klar, als Kinder wollten wir alle wie Pippi Langstrumpf sein. Ich zumindest. Das lag vor allem am kleinen Onkel und Herr Nilson, mit denen sie ihre Villa Kunterbunt geteilt hat. Viel weniger daran, wie sie war, auch wenn ich das toll fand. Manchmal aber schon ein bisschen nervtötend mit ihrer altklugen Art. Jedenfalls war sie keine Identifikationsfigur wie heute zum Beispiel für viele LeserInnen Claire Randall aus Dianas Gabaldons Highlandsaga. Claire sieht toll aus, findet sich selbst aber unansehnlich, sie ist tough und schlagfertig und trotzdem weich wie Wachs in den Händen ihres geliebten Jamie. Identifiziert sich frau deshalb so sehr mit ihr? Sind viele Frauenromane nach Schema F gestrickt, weil die Autorinnen genau wissen, wie man die Gefühlswelt einer Leserin kitzelt, die nur allzu gerne ihren Alltag mit Fantasiewelten würzt, in die sie Romane wie die von Frau Gabaldon oder "Shades of Grey" entführen? Ich bin skeptisch, denn das wäre doch - unter uns - ziemlich oberflächlich.

sof_sof_0000 / Pixabay

Als Autor hat man es nicht leicht. Einerseits sollen Charaktere und Handlung für den Leser nicht fremd sein, andererseits erwartet man eine erfrischende Geschichte, die nicht bereits vorher in zig Variationen auf den Markt kam. Oder etwa nicht? Auch hier macht sich Skepsis breit, wenn ich an die vielen Nachfolger von Harry Potter und Shades of Grey denke. Wahrscheinlich muss die Frage jeder Autor und jeder Leser für sich selbst beantworten.

Was mich betrifft, so schätze ich noch nie dagewesene Ideen sowohl plot- als auch figurentechnisch. Eine literarische Identifikation brauche ich nicht. Im Gegenteil. Das liegt nicht nur daran, dass in meinen eigenen Romanen kaum Frauen eine größere Rolle spielen (die keine bis wenig autobiografische Züge aufweisen) oder ich generell zufrieden bin mit dem, was und wie ich bin. 

Es gefällt mir, Charaktere kennenzulernen, die ganz anders handeln, als ich es getan hätte. Die mir gar nicht ähnlich sind und gerade deswegen trotzdem sympathisch und liebenswert. Oder aufgrund ihrer Erfahrungen durchtrieben. Vielleicht an sich zweifeln. Die mich überraschen. Genau wie die Handlung mich überraschen darf. Wenn ich vorhersagen kann, wie der Roman endet, warum sollte ich ihn dann mit Feuereifer lesen? Schließlich möchte ich Neues erfahren, andere Sichtweisen ergründen. Und im besten Fall sogar daraus lernen. Aber vor allem will ich gut unterhalten und inspiriert werden. Und das werde ich durch neue Impulse.

Wie seht ihr das? Lest ihr lieber "Altbewährtes" mit einer Figur, die euch ähnelt oder betretet ihr auch gern mal unerforschte Pfade? Ich würde mich sehr über eure Meinung im Kommentarbereich oder auf meiner Fanpage freuen.



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