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Samstag, 5. Oktober 2013

Passend zur Jahreszeit: Der Club der toten Dichter

Bisher war dieser Film über ein Jungeninternat in Neuengland in den 1950er Jahren einer meiner Lieblingsfilme. Ich mag die Schauspieler (grandios: der junge Robert Sean Leonard und sein Best Buddy Ethan Hawke!), die Geschichte, den Gänsehaut erzeugenden Schluss mit der Dudelsack-Untermalung und sogar Robin Williams, den ich als Komiker so gar nicht komisch finde.



Gestern lief "Der Club der toten Dichter" auf ZDFNeo. Ich weiß nicht, ob es an der deutschen Fassung lag oder daran, dass "Carpe Diem" überstrapaziert wurde, dass ich ihn auf einmal nicht mehr so mochte. Vieles kam mir zu plakativ vor, u. a. der Schauspieler, der Knox Overstreet spielt (den ich süß fand, früher). In seiner Schwärmerei zur Parodie einer High School-Cheerleaderin, die klischeebehaftet und zu allem Übel mit einem fäusteschwingenden Muskelprotz verbandelt ist, wirkt er einfach nur peinlich. Kann man nicht mal stehen lassen, dass das Mädel schwülstigen Gedichten nichts abgewinnen kann? Mir kam es so vor, als hätte sie Knox nur deshalb erhört, weil er - durch den Lehrer Keating ( Robin Williams) mit dem "Carpe Diem"- Virus infiziert - hartnäckig um sie wirbt und dabei verzweifelt aufdringlich wirkt. Quasi aus Mitleid. Egal, was Keating über Frauen und Gedichte sagt (übrigens auch ein böses Klischee): So einen würde ich gleich in den Wind schießen.

Und die deutschen Stimmen der Jungs klangen richtig blöde. Übertrieben großspurig und dramatisch. Klar, sie sind siebzehn, da sind Buben so. Zumindest hier. Nicht unbedingt in Neuengland. Ich kann mich erinnern, dass sie in der Originalfassung allesamt erwachsener und weniger laut scheinen.

Gestört hat mich auch die aufgeregte Performance von Neil Perry als "Puck" - unter schauspielerischem Talent verstehe ich etwas anderes. Wahrscheinlich war wieder die Synchro schuld, denn Robert Sean Leonard ist an sich ein professioneller Theaterdarsteller und war es schon damals mit Anfang Zwanzig. Goldig sah er aus, richtig herzzereißend im unterlegenen Clinch mit dem verbohrten Vater, der nur das Beste für seinen Sohn wollte und ihn letztlich zu einer folgenschweren Entscheidung treibt. Da musste ich wirklich schlucken.

Traurig fand ich, dass mir zum ersten Mal klar wurde, wie schwer es Neues hat, vor Altem - in diesem Fall der Tradition des alterwürdigen Internats und des veralteten Schulsystems - zu bestehen oder gar ohne Aggression dagegen anzugehen. Mr. Keating hat nichts Falsches getan.

Das weiß er auch, sonst würde er die Schule nicht mit dem heiteren Lächeln eines weisen Buddhas und inbrünstig hervorgestoßenen "O Captain, mein Captain!"- Rufen im Rücken verlassen, und dennoch wird sich nichts ändern in Welton und an den vorbestimmten Anwalts- und Ärztekarrieren der Schüler. Vielleicht spricht die Klasse noch mit großer Ehrfurcht vom schrulligen Querdenker, aber bald wird sie die Hierarchie wieder einholen. Das hat sie eigentlich bereits, als ausnahmslos alle Schüler mehr oder weniger freiwillig Keatings "Strafversetzung" unterschrieben haben.




Ein nachdenklich stimmender, aber nicht besonders ermutigender Film für Individualisten und Weltverbesserer. Weil ich ihn im Original einer Fünf-Sterne-Wertung für würdig erachte, ziehe ich nur einen Stern ab. Und jetzt mach' ich Carpe Diem. Cheerio!


Bewertung:




 



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